Unser Freund, der Jo

Jena, die sympathische und zweitgrößte Stadt des Freistaates Thüringen, war vom 8. bis 10. Februar Veranstaltungsort eines Bundeslehrgangs des DAB. Über vierzig Aikidoka reisten aus dem gesamten Bundesgebiet an. Sie alle nutzten die Gelegenheit, sich an diesem verlängerten Wochenende in vier Lehreinheiten durch Meister Alfred Heymann, 7. Dan und seines Zeichens einer unserer beiden Bundestrainer, über Grundlagen und Feinheiten unseres geliebten Aikido anleiten zu lassen. Hätte uns das Wetter keinen Strich durch die Rechnung gemacht (just zu diesem Zeitpunkt überlegte sich der Winter, doch noch hereinzuschneien), wären es wohl weit mehr als fünfzig Teilnehmer geworden. Um aber in dieser Tatsache den Silberstreif am Horizont zu finden, brauchte es nicht mehr als die kurze aber knackige Stab-Kata, welche Meister Heymann am zweiten Tag mit uns einstudierte. Hier ward, vor allem am Anfang, jeder zusätzliche Meter Freiraum gern gesehen und genutzt. Doch eins nach dem anderen.

Thema das Bundeslehrgangs waren laut Ausschreibung Tenchi-nage und Anwendung des Stabes (Kennern auch als Jo bekannt). Und so stiegen wir um 19 Uhr des ersten Abends gleich in die heikle Thematik des Himmel-und-Erde-Wurfes ein. Himmel und Erde zum einen wegen der Haltung der Hände, zum anderen wegen der psychologischen Auswirkung des Gelingens oder Scheiterns der Technik.

Wie man als geübter Aikidoka und bei Bundeslehrgängen mindestens erstem Kyu weiß, liegt der Grund des Versagens einer Technik eigentlich immer beim Uke. Umso deprimierender, wenn Meister Heymann hilfreich die Technik am eben noch störrischen Angreifer demonstriert und diese auf einmal funktioniert. Alles Getrickse! Kann ich auch mal? Hm… funktioniert ja doch. Meister Heymann war aber glücklicherweise immer so motivierend, sein Können auf einen gewissen „Trainingsvorsprung“ zu schieben. Da weiß man wenigstens, worauf man hinarbeitet.

Das Effektive an Bundeslehrgängen ist in diesem Zusammenhang die Konzentrierung der Lehrinhalte auf ein Maximum in einem relativ geringen, aber glücklicherweise verlängerten Zeitrahmen (vier statt zwei Lehreinheiten). Bei Meister Heymanns straffem Programm kam schwerlich das Bedürfnis nach Sozialisation mit unseren wechselnden Partnern auf (dafür gab es in den Pausen und beim Abendessen genug Zeit), sondern der Willen nach maximal genutzter Trainingszeit. Der Meister hob mehrfach hervor, dass für die wahre Bewegungsfreiheit beim Aikido vor allem die unnachlässige Repetition insbesondere der grundlegenden Bewegungen wie Tai-sabaki und der Zentrumseinsatz vonnöten ist.

Nachdem wir uns am Freitagabend jede Menge Anregungen zum Tenchi-nage holten, war am Samstag der Jo Hauptthema. Meister Heymann betonte, dass der Stab wie ein Freund ist, der immer Zeit für einen hat. Dementsprechend nutzten wir die Gelegenheit, diesen mittels einer Kata besser kennen und verstehen zu lernen. Dies gelang uns dann nach vielen zerstückelten Wiederholungen auch, welche es galt, zu einem Ganzen zusammenzufügen. In der zweiten Einheit des Tages half uns unser alter Freund in seiner Funktion als „Vergrößerungsglas“ unsere Techniken besser zu verstehen und den Zentrumseinsatz und das korrekte Führen des Partners zu verdeutlichen.

Nach fast vier Stunden Druckbetankung trafen sich die Teilnehmer in gemütlicher Runde beim örtlichen Griechen um dort thematisch sachverwandt original japanische Mahlzeiten zu sich zu nehmen (Saganaki? Suzuki?!). Hier war nun genug Zeit, um nach Herzenslust zu schwatzen, zu fachsimpeln, Freundschaften zu schließen oder aufzufrischen.

Am Sonntagvormittag bot uns Meister Heymann ein buntes Potpourri an Stabtechniken, bei denen es entweder darum ging, den Jo zu be- oder zu erhalten. Auch hier ist man sich als gestandenem Schüler des Aiki bewusst, dass es a) an Uke oder b) am Jo liegt, wenn die Technik nicht funktioniert. Der Meister bot uns gerne noch Möglichkeit c) an, welche besagt, dass man an sich selbst etwas verbessern kann. Zur Untermauerung dessen demonstrierte er die Techniken erfolgreich und mühelos an wechselnden Ukes aller Größen, Gewichte und Geschlechter. Es schien also was dran zu sein.

Mit Wissen bis zum Rande gefüllt ging für uns dann leider auch diese letzte Einheit zu Ende. Der Lehrgangsleiter Dr. Dirk Bender ließ es sich nicht nehmen, Meister Heymann für dieses überaus lehrreiche Seminar zu danken und ihm ein lokales Geschenk zu überreichen. Hiermit verbunden war die Einladung, möglichst bald wieder einen Bundeslehrgang in Jena zu veranstalten.

Dies bringt uns zur rundum gelungenen Organisation des Lehrgangs, für die sich Meister Heymann beim Lehrgangsleiter und seinem überaus fleißigen Team bedankte. Dieses leistete im gesamten Ablauf und besonders bei der Verpflegung ganze Arbeit. Da man mit besserem Wetter und somit mehr Teilnehmern rechnete, arteten die Pausen für die angereisten Aikidoka in Völlereien aus. Natürlich geschah dies durch uns nur widerwillig und im Hinblick auf zukünftig zu verbessernde Zentrumsarbeit.

Ein besonderes Schmankerl bei Bundeslehrgängen ist die Tatsache, dass man die Gelegenheit hat, mit vielen Aikidoka zu trainieren, die aus anderen Teilen der Republik stammen und gewissermaßen nicht in unserem eigenen Saft mitschwimmen. Dieser Blick über den Tellerrand hilft uns, unsere Kampfkunst lebendig zu halten, da wir so gezwungen sind, stetig unsere eigene Herangehensweise zu reflektieren.

Wir als Thüringer sind besonders erfreut, dass wir die Gelegenheit haben, mittels Ausrichtung eines regelmäßigen Bundeslehrgangs zur gleichmäßigen Verteilung dieser Seminare über das gesamte Bundesgebiet beizutragen. Jena ist vor allem für Aikidoka aus MIttel- und Ostdeutschland aufgrund seiner relativen Nähe, seiner guten Erreichbarkeit und der guten Ausstattung der Turnhalle ideal für ein solches Unterfangen.

Wir danken besonders Meister Heymann für seine erhellenden Lehreinheiten und natürlich allen, die auf und neben der Matte dazu beitrugen, dass dieser Bundeslehrgang einen tollen Start in das neue Jahr bedeutete. Wir freuen uns auf ein baldiges Wiedersehen auf einer Tatami in Jena, Thüringen oder Deutschland.

Lars Warnstedt
ZfK Gera e.V.